18. August 2023: Schwarz-weiss steht mir (nicht)
Die Kolumnistin schreibt zu einem selbst gewählten Thema. Sie ist Bäuerin sowie Politikerin und lebt auf einem Milchwirtschaftsbetrieb in Zeihen im Kanton Aargau.
Mein Kleiderkasten ist spartanisch eingerichtet, zumindest, was die Farbwahl anbelangt. Vorherrschend sind schwarz und rot und schwarz-weiss gepunktet. Das ist weniger politisch motiviert, als dass es sich im Verlaufe der Jahre so ergeben hat.
Nun begab es sich am letzten Wochenende, dass ein Anlass stattfand. Einer auf dem Hof, bei dem ich eine Rede halten durfte. Ich wusste, dass allergattig Leute anwesend sein würden. Genauso, wie es mir entspricht. Ein Fest für alle. Auch standen eine Rockband, Alphornbläser, eine Kabarettistin und eine Slampoetin auf der Bühne. Ein bunt gemischtes Programm und ein farbiges Publikum.
Lange stand ich vor dem Kleiderschrank und überlegte, was ich anziehen könnte. Meteo Schweiz hatte 30 °C prognostiziert und allenfalls Gewitter. Nun, darauf konnte man ja auch nicht mehr zäh- len. So entschied ich mich für ein schwarz-weiss gepunktetes Kleid.
Lange brütete ich auch über dem Text, bevor ich ihn endlich niederschrieb. Er sollte schliesslich für alle passen und möglichst viele sollten sich vom Inhalt angesprochen fühlen.
Drei Abschnitte brachte ich zu Papier. Einer davon handelte von der Landwirtschaft und der Zusammenarbeit. Zusammenarbeit zwischen Bauernfamilien und Umweltverbänden, gemeinsam statt von oben verordnet, Überzeugung statt Ideologie, Grautöne statt Schwarz-Weiss, und so weiter.
Ja, ich bin gegen dieses Schwarz-Weiss-Denken und gegen jegliche Militanz. Wir haben in Zukunft grosse Herausforderungen zu meistern, auch in der Landwirtschaft. Meiner Meinung nach muss man zum Beispiel nicht darüber reden, ob viel Fleisch oder kein Fleisch gegessen wird. Vielleicht könnte man sich auch darüber unterhalten, ob einfach weniger Fleisch gegessen werden könnte. Wir pflegen noch heute den Wähentag am Freitag. Den würde ich um keinen Preis hergeben wollen. Suppe und eine selbst gemachte Früchtewähe. Eine wunderbare Tradition, die uns in keiner Art und Weise einschränkt.
Etwa so war der Inhalt meiner Rede. Nach der Ansprache der Kabarettistin konnte ich nur noch verlieren. Nervös stand ich hinter das Mikrofon, blickte in unzählige gespannte Augenpaare und holte tief Luft. Die Begrüssung, die Teile eins und zwei brachte ich gut über die Bühne. Zunehmend in Fahrt schwenkte ich zu Teil drei. «Ich bin gegen jede Form von Ideologie und gegen dieses unsägliche Schwarz-Weiss- Denken!», so meine Worte zur Gästeschar. Zu spät realisierte ich, was die Leute sahen. Welche Ironie! Gelächter klatschte mir ins Gesicht und schallend lachte auch ich.
Vielleicht lohnt es sich in Zukunft, die Garderobe auf die Rede abzustimmen oder umgekehrt. Schwarz-Weiss steht mir und Schwarz-Weiss steht mir nicht – eine Stil- und eine Haltungsfrage.