2. Dezember 202: Mein Stolz hat ein Aber
Es erfüllt mich immer noch mit grossem Stolz, Vizepräsidentin dieses Bauernverbandes zu sein, die linke von der rechten Hand. Jüngst eben durfte ich diesen an einer Versammlung vertreten. Am Treffen einer Branche, die mir eher fremd ist. Ich kenne deren Herausforderungen und Schwierigkeiten, aber nur aus der Presse. Die Ausführungen aus erster Hand zu hören und in die Tiefen der Thematik eintauchen, ist ein anderes Paar Schuhe. Ich erachte es als Privileg, dies tun zu dürfen. Ebenfalls bin ich überzeugt davon, dass es wichtig ist, zu wissen, was die verschiedenen Akteurinnen und Akteure der Branche beschäftigt. Schliesslich hat der Bauernverband den Anspruch, den grösstmöglichen Teil seiner Schäfchen zu repräsentieren. Ohne das nötige Wissen geht das nicht. Nun denn, mir machen diese Aufgaben Spass, sie sind lehrreich und erweitern den Horizont.
Ebenfalls schätze ich die kontroversen Diskussionen in unserem Gremium und den respektvollen Umgang miteinander. Alle Meinungen haben Platz und am Schluss können die Verhandlungen oft mit einem gutschweizerischen Kompromiss beendet werden. All das begeistert und motiviert mich. Aber … aber vor jedem Anlass und vor jeder Feier habe ich Albträume und Schweissausbrüche. Wobei Letzteres die Sache nur noch verschlimmert. Es verschlimmert die Schweissränder unter den Ärmeln der weissen Bluse. Hier herrscht Einigkeit, bei der Bluse mit dem schön gestickten Logo des Verbandes. Bei dem Kleidungsstück, mit welchem wir das Gemeinsame hervorheben. Weiss trage ich nie. Bei Weiss sehe ich rot. Rot, weil ich diese Bluse vor jedem Anlass waschen und bügeln muss. Normalerweise bügle ich nicht. Da niemand in der Familie Weiss trägt, gibt es auch nie eine volle Waschmaschine.
Das heisst, die Bluse muss zuerst von Hand gewaschen werden. Gewaschen und gerubbelt – denn da ist auch noch dieser Kragen. Und dann – gebügelt. Mein einziger Stressfaktor, was meine Tätigkeit in diesem Gremium anbelangt. Diese Arbeit zögere ich immer hinaus, so muss ich am Abend vor dem Tragen jeweils eine veritable Feuerwehrübung machen. Beim Bügeln wirkt der Stoff makellos. Faltenlos, bis ich ihn umdrehe und die Knitterstellen auf der Rückseite entdecke. Falten auch in meinem Gesicht, Zornesfalten. Ist das Werk endlich vollbracht, in der Regel fünf Minuten bevor ich losmuss, bringe ich den Kragen nicht schön sauber über jenen meines Blazers. Sitzt er rechts, rutscht er links wieder unter den anderen Stoff und umgekehrt. Ja, ich bin stolz, in diesem Verband die Landwirtschaft zu vertreten. Aber vor jedem Auftritt durchlaufe ich eine wahre Odyssee. Und ich frage mich, ob wohl meine männlichen Kollegen dieselben Probleme haben. Vielleicht müsste ich sie mal darauf ansprechen.