Liebe Melnerinnen und Melner
Grüezi mitenand. Es ist mir eine grosse Ehre, heute Abend vor euch zu sprechen. Hier in Meli, das Dorf im unteren Fricktal, mit dem ich viele Berührungspunkte habe.
Wir feiern heute den 1. August, den Geburtstag der Schweiz. Dieses Jahr feiern wir auch 175 Jahre Bundesverfassung. Ein besonderes Jahr also. Die Schweiz, die erste Demokratie Europas. Was hat jetzt aber diese Bundesverfassung mit uns zu tun? Was hat sie mit Möhlin zu tun? Viel sage ich euch, sehr viel. In der Präambel dieses 100-seitigen Werkes steht:
«Im Namen Gottes des Allmächtigen! Das Schweizervolk und die Kantone, in der Verantwortung gegenüber der Schöpfung, im Bestreben, den Bund zu erneuern, um Freiheit und Demokratie, Unabhängigkeit und Frieden in Solidarität und Offenheit gegenüber der Welt zu stärken, im Willen, in gegenseitiger Rücksichtnahme und Achtung ihre Vielfalt in der Einheit zu leben, im Bewusstsein der gemeinsamen Errungenschaften und der Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen, gewiss, dass frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht, und dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen.»
Ich komme darauf zurück.
Möhlin hat mich als junge Frau geprägt. Hier habe ich meine Sporen abverdient als Sekundarlehrerin, im Steinli. Meine Anstellung passierte in einem Moment, wo die Lehrpersonen der Oberstufe bereits alle Fächer untereinander abgetauscht hatten. Ich musste also, ob ich wollte oder nicht, sämtliche elf Fächer selbst unterrichten, ein 100 % Pensum in meinem ersten Jahr, frisch ab Presse. Kein Spaziergang. Nach dem ersten schwierigen Elterngespräch lief ich heulend zu Niggi Schmidli, dem Parallelklassenlehrer. Einige von euch dürften ihn kennen oder sogar den Unterricht bei ihm genossen haben. Er hat mich getröstet und mir versichert, dass ich dieses Jahr mit Bravour meistern würde. Ich habe grosse Solidarität erlebt und viel Offenheit einer neuen und jungen Lehrerin gegenüber. Meine erste Klasse wird mir immer in Erinnerung bleiben. Es war ein tolles, unvergessliches Jahr.
Ich habe Verwandte in Möhlin, Hilperts. Sie bewirtschaften einen biologischen Gemüsebetrieb und produzieren die weltbesten Tomaten und Rüebli. Daneben finden sich Getreidefelder im Möhliner Feld, der Kornkammer des Fricktals. Wie man das auch schön auf eurem Wappen sieht, eine zusammen gebundene Getreidegarbe. Zusammenhalt und Diversität, eine vielfältige Landwirtschaft nennt ihr euer Eigen. Bei euch gedeihen die Feldfrüchte besser als anderswo. Vermutlich sind sie auch süsser. Nicht nur der Boden ist fruchtbar, der Möhlin-Jet beschert euch auch 40 Sonnentage mehr als dem Mittelland. Zurecht nennt man euch die Sonnenstube und euren Berg, den Sonnenberg. Apropos Berg, da meinten wir als Jugendliche immer, die Melner Höhe sei ein Witz. Von der Bahn betrachtet, eine kleine Erhebung. So dachten wir auch, es sei ein Klacks, mit dem Velo ins untere Fricktal in den Ausgang. Nun denn bereits bei der Anreise bissen wir uns die Zähne beim Treten aus, vom Nachhauseweg wollen wir gar nicht sprechen. Vermutlich radelten wir nach Rheinfelden und verluden dann die Velos bis Effingen. Hierzu fehlen die genauen Überlieferungen.
Als flächenmässig 5. grösste Gemeinde des Kantons verfügt ihr über einen ansehnlichen Gemeindebann und eine Dorflänge, die sich über 3,5 km erstreckt. Da meinte ich auch nach einem Anlass, ich könnte dann noch schnell an ein Familienfest an der Schaufelgasse spazieren, es sei vom Bahnhof nicht so weit, mit Highheels … Doch es war weit. Erstens traf ich noch verspäteter ein, also eh schon und zweitens musste ich vor Ort zuerst meine Blasen versorgen.
Die Vielfalt eures Dorfes zeichnet euch aus. Von Auengebieten, über die Storchenstation, vom Batapark über die Rheinsaline, vom Lehrertheater über die Fasnachtszunft Rhyburg (die ja dieses Jahr ihr 100-jähriges Bestehen feiert – herzliche Gratulation dazu) findet man alles in Möhlin. Ihr legt grossen Wert auf die Ökumene und auf kontroverse Diskussionen an der Gemeindeversammlung, z. B. über Bauzonen- und Kulturlandpläne.
Möhlin bewegt, ist der richtige Slogan. Gerade heute, wo ihr den Seniorenweg mit den Plauderbänkli eingeweiht habt. Was für ein weitsichtiges und einzigartiges Projekt. Gratulation auch dazu! Möge es viele Nachahmer finden. Ihr wohnt in einem vielfältigen, farbigen und aktiven Dorf. Darauf dürft ihr stolz sein. 74 Vereine – von den 7 Sieche bis zum Sunnebärgchörli. Wahnsinn. Heute, an diesem 1. August ermuntere ich euch, genau diese Vielfalt zu pflegen, die Gemeinschaft zu leben. Sie ist einzigartig in Möhlin, sie ist einzigartig im Fricktal. Dem gilt es Sorge zu tragen. Der Zusammenhalt im Fricktal zeichnet uns aus, und zwar vom oberen bis ins untere Fricktal. Wir sind gewohnt einander zu helfen, wenn es drauf ankommt. Zuweilen vermitteln Politik und Presse ein anders Bild. Eines des ständigen Hickhacks, der Skandale und des «Ich bin mir selbst am nächsten, das ist mein Gärtli.» Ich aber glaube daran, dass der Zusammenhalt wichtig ist, wichtiger denn je. Wie sollen wir denn die Herausforderungen der heutigen Zeit meistern, wenn nicht zusammen?! Ich bin überzeugt davon, dass unsere demokratischen Grundwerte keine Selbstverständlichkeit sind. Wir müssen an ihnen arbeiten und sie pflegen, jeden Tag.
Ich habe gesagt, ich komme auf die Bundesverfassung zurück: Ihr in Möhlin lebt, was in der Bundesverfassung steht: Solidarität, Gemeinschaft, Offenheit gegenüber anderen und anderem, Vielfalt und Rücksichtnahme und ihr messt eure Stärke an Wohle derer, die nicht immer auch der Sonnenseite des Lebens stehen. In ermuntere euch, hört nicht auf euren schönen und bunten Flecken Erde und diese Gemeinschaft zu pflegen. Helft einander, seid solidarisch, lasst mal die Fünf gerade sein und feiert bis in die Morgenstunden.
Ich wünsche euch einen schönen ersten August.
Colette Basler, Zeihen