Das steht schon in der Bibel.
Seit ich Mitglied des Grossen Rates bin, wird jedes Jahr dasselbe Gejammer vom Stapel gelassen. Zuerst hatten wir diese Sparrunden, diesen Abbau, mit den vielen originellen Namen. Den originellsten Namen hat übrigens das KSA kreiert: Fitnessprogramm. Wie zynisch.Wenn man den Begriff Sparrunde Aargau googelt, wird schnell klar, dass bei jeder solchen Runde immer bei den Schwächsten gespart wurde. Das Büro für Gleichstellung wurde gestrichen, im Asylbereich wurde gespart, pro Infirmis und andere Organisationen müssen ihren Gürtel enger schnallen, die maximalen Klassengrössen wurden erhöht etc. etc. Die Liste liesse sich beliebig weiterführen. Und was mal gespart, resp. abgebaut wurde, kommt bekanntlich selten zurück. Die Regierung und rechtsbürgerliche Kreise malen apokalyptische Zukunftsszenarien. Die Angstmacherei verfängt.
Einmal mehr hat nun aber der Kanton Aargau ein sattes Plus von 119 Mio. eingefahren. 24 von 26 Kantonen haben gemäss ihren Abschlüssen von 2022 kumuliert 3.3 Mrd im Plus abgeschlossen. Aber nein, wir müssen sparen. Es könnte ja sein, dass nächstes Jahr ganz schlimm wird. Die Corona-Krise konnten wir indes ohne weitere Löcher in die Staatskasse zu reissen meistern und das KSA (notabene 240 Mio.) bezahlen wir aus dem Portokässeli.
Viele Haushalte müssen heute mehr als einen Fünftel ihres verfügbaren Einkommens für Krankenkassenprämien aufwenden; für eine vierköpfige Familie sind dies mittlerweile oft mehr als 1000 Franken pro Monat. Und schnelle Besserung ist nicht in Sicht, denn nach dem Prämienschock 2023 (6.6 Prozent Zunahme) droht im nächsten Jahr ein weiterer Hammer (es könnten bis zu 7.5 Prozent sein). Es ist deshalb allerhöchste Zeit für höhere Prämienverbilligungen. Viele Menschen leben am Existenzminimum. In der Schweiz haben wir über eine Million Leute, die von Armut betroffen sind. Wir müssen wieder über ein bedingungsloses Grundeinkommen reden. Wir wollen keine Zustände wie in Italien, wo junge Menschen, bis sie 30 oder älter sind, bei ihren Eltern leben müssen, weil sie sich keine Wohnung leisten können. Wir wollen nicht, dass Jugendliche ihre Studien abbrechen müssen, weil sie ihre betagten Eltern oder Grosseltern finanziell unterstützen müssen. Wir wollen nicht, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter vergrössert.
Es ist richtig und wichtig, dass sich die Gewerkschaften und die Linke einsetzt, um diesem Gebaren Einhalt zu gebieten.
Letzte Woche wurde im Kantonsparlament ein Vorstoss eingereicht, der verlangt, dass Asylsuchende sich in Arbeitsprogrammen betätigen. An sich eine gute Idee. Der Teufel liegt wie immer im Detail. Sie sollen dies ohne Entschädigung tun. Sogar die Motivationsprämie von 150.- im Monat soll ihnen gestrichen werden. Schliesslich geniessen sie bei uns Schutz und sollen gefälligst dankbar sei. Wie zynisch. Wie herzlos. Wie menschenverachtend. Moderne Sklaverei nennt man das und ich hoffe inständig, dass dieser Vorstoss völkerrechtswidrig ist. Denn leider haben solche Ideen im Aargau immer wieder die Chance aufgenommen und angenommen zu werden.
Als Vizepräsidentin des Metzgereipersonalverbandes erlebe ich, wie schwierig es ist, gute Arbeitsbedingungen und Löhne für Angestellte zu erwirken. Trotz Bundesgerichtsurteil müssen wir für jede Sekunde der Umkleidezeit kämpfen. Immerhin hat die Branche einen GAV, den wir eben erst verlängern konnten. Immerhin konnten wir einen Teuerungsausgleich erwirken. Dennoch sind die Löhne tief, die Aufstiegsmöglichkeiten gering und die Abwanderung in andere Branchen hoch.
Wir haben nicht nur einen Fachkräfte, – sondern vor allem auch einen Arbeitskräftemangel. Dennoch wird zu wenig für die Attraktivität der einzelnen Berufe gemacht. Wir können es uns nicht leisten. Wir leisten uns aber Steuersenkungen für Reiche und Unternehmen.
Ein grösseres und besseres Angebot an Familien ergänzenden Betreuungsstrukturen können wir uns ebenfalls nicht leisten. Wer Kinder will, soll selbst für sie schauen. Das ist keine Aufgabe des Staates. Viele gut ausgebildete Frauen bleiben bei diesem System auf der Strecke.
Die Liste von Beispielen liesse sich beliebig weiterführen.
Aus all diesen Gründen braucht es Menschen wie euch, die sich immer und immer wieder für die Anliegen von allen statt von wenigen einsetzen. Menschen, die daran glauben, diese Welt mit ihrem Engagement ein bisschen besser zu machen. Menschen, die sich engagieren für die Personen, die keine Stimme haben.
Ich danke euch, dass ihr alle zu diesen Menschen gehört. Wir alle sind privilegiert und das ist nicht selbstverständlich. Deshalb sage ich:
Wer hat, der soll geben.