Sonntagmorgen, 28. Januar 2024

Was für en gschnädderfräsigi Tante, denke ich. Den Kopf auf dem Gabelstil beobachte ich fasziniert das Gebaren von Emma.

Sie schiebt das Futter hin und her, pickt da ein Hälmchen, schleckt dort ein Maiskörnchen und ist nicht zufrieden mit der Mahlzeit. Sie schubst das Futter weg und nodderet drin herum. So wird das nichts, Madame, denke ich. Du wärst in der Lage und würdest die Bäuerin belügen, wenn man dich fragte, ob du satt bist. Genau wie die boshafte Ziege in Grimms Märchen. Und nein, der Tisch wäre nicht plötzlich mit Köstlichkeiten reichhaltig gedeckt. Vielmehr könnest du sagen: Wie soll ich satt sein, ich sprang nur über Gräblein und fand kein einziges Blättlein. Ja, liebe Emma, denke ich, so wird das nichts. Dein Teller ist bald leer. Man kann nicht nur Rosinen picken im Leben. Manchmal muss man mit dem zufrieden sein, was man hat. Das Risiko besteht, dass nichts Besseres folgt. Den Teller teilen mit anderen ist durchaus eine ehrenhafte Geste. Aber teilen, Emma, nicht wegfressen oder zu sich schaufeln, sich von der Platte der andern bereichern, wenn man selbst genug hätte. Nun, weder hört sie noch liest sie meine Gedanken. Irgendwann ist dein Futter so weit weg, dass du es auch mit deiner langen Zunge nicht mehr erreichst, liebe Emma. Meine Schadenfreude ist von geringer Dauer. Wechselt doch das kluge Vieh ganz einfach den Platz, als es soweit ist.

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